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Das Fach Philosophie

Viele von uns haben vielleicht schon einmal die Erfahrung gemacht, dass ihnen im Alltag ganz unvermittelt sehr grundlegende Fragen in den Sinn kommen und sie nicht mehr loslassen. Vielleicht sitzen wir an einer Aufgabe, die uns Mühe bereitet und wir fragen uns: Warum tue ich das hier gerade? Welchen Sinn hat das? Vielleicht fragen wir uns angesichts von Konflikten in der Familie: Wie lassen sich Dinge gerecht verteilen? Was bedeutet eigentlich Gerechtigkeit? Oder wir erleben, dass wir uns in unserer Wahrnehmung und Einschätzung der Dinge manchmal täuschen oder zumindest untereinander nicht einig sind und uns kommen Fragen wie: Was ist Wahrheit und was Wirklichkeit? Wie können wir beides erkennen? An diesem Punkt, an dem wir gängige Überzeugungen nicht mehr einfach akzeptieren, sondern sie grundlegend hinterfragen und eigenständig denkend eine ebenso grundlegende wie vollständige Antwort suchen, beginnen wir zu philosophieren.

Wir entdecken so immer mehr offene Fragen. Wir beginnen zu Staunen, geraten in Verwirrung und vielleicht auch Verunsicherung. Scheinbar selbstverständliche Dinge stehen plötzlich in Zweifel, scheinbar feststehende Annahmen geraten in Bewegung und wir sehen die Welt plötzlich mit anderen Augen. Das ist gleichzeitig faszinierend und beunruhigend. Und wir stehen vor der Schwierigkeit, all die Fragen in unserem Denken zu erfassen und Antworten darauf zu finden.[1]

Der Philosophieunterricht soll dazu ermutigen, sich der Herausforderung des beschriebenen grundlegenden Fragens zu stellen. Er soll Wege eröffnen, wie wir Antworten auf unsere Fragen finden können und die Freude vermitteln, die in dieser besonderen Art des Denkens liegt. Dabei machen wir uns mit den Gedanken anderer Philosoph*innen aus Gegenwart und Vergangenheit vertraut, die sich die gleichen Fragen gestellt haben wie wir. Und wir erarbeiten uns Stück für Stück Techniken und Fertigkeiten präzisen Denkens als eine Art „Werkzeugkasten“, mit dem wir auch unsere schwierigsten Fragen und Probleme verstehen und bearbeiten können.

So entwickeln wir mit Freude und auf vielfältige Art unsere Fähigkeit, selbstständig, kritisch, tiefgehend und klar zu denken. Und auf dieser Grundlage wird es uns möglich, uns in unserem Leben – im Denken und Handeln – besser zu orientieren und unseren ganz eigenen Platz in der Welt zu finden.

Der griechische Philosoph Sokrates wird mit der Aussage zitiert, dass es „ein Leben ohne Selbstprüfung […] nicht verdient, gelebt zu werden“.[2] Das mag eine extreme Ansicht sein. Aber Sokrates macht uns darauf aufmerksam, dass in der kritisch denkenden Auseinandersetzung mit uns selbst und der Welt, die uns umgibt, die Chance auf ein bewussteres, sinnerfüllteres und damit vielleicht besseres Leben liegt. In der Begleitung und Unterstützung auf diesem Weg liegt das Ziel des Philosophieunterrichts.

 


[1] Vgl. Rosenberg, Jay F.: Philosophieren, 6. Auflage, Frankfurt 2009, S. 16-17.

 

[2] Platon, Apologie des Sokrates, 38a-38b.